Kein Augenblickversagen beim Übersehen einer elektronischen Geschwindigkeitsanzeige auf der Autobahn

Übersieht der Betroffene eine auf Bundsautobahnen häufig übliche sich über die Breite mehrerer Fahrspuren erstreckende hochgestellte Wechselverkehrszeichenanlage, welche flexibel die Geschwindigkeitsanzeige an die gegebenen Verkehrsverhältnisse anzupassen in der Lage ist, wird wegen der besonderen Auffälligkeit dieser Wechselverkehrszeichenanlage ein Augenblicksversagen in der Regel ausgeschlossen sein (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 18.08.2005, Az. 3 Ss OWi 374/05).

Eine beharrliche Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers wird grundsätzlich nicht angenommen, wenn der Verkehrsverstoß auf ein Augenblicksversagen zurückgeht, dass auch ein sorgfältiger und pflichtbewusster Kraftfahrzeugführer nicht immer vermeiden kann (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 15.03.1999, Az. 2 Ss (B) 5/99).

Der Umstand, dass der Betroffene das Wechselverkehrszeichen nicht gesehen hat, zeugt davon, dass der Betroffene über eine längere Zeitspanne nicht auf Wechselverkehrszeichenanlage geachtet hat, weshalb von einer kurzfristigen Unaufmerksamkeit des Betroffenen im Sinne eines Augenblicksversagens nicht ausgegangen werden kann. Die genannte Wechselverkehrszeichenanlage und das genannte Wechselverkehrszeichen sind, wie dem Gericht aus eigener Ortskenntnis bekannt ist, bereits nach dem Auffahren auf den von dem Betroffenen befahrenen Beschleunigungsstreifen mit einem flüchtigen Blick nach vorne in Fahrtrichtung in einer Entfernung von etwa 400 Metern zu erkennen. Der Betroffene hätte demnach bei Beachtung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt während des von ihm beschriebenen Geschehens das genannte Wechselverkehrszeichen erkennen können und müssen; es widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Betroffene während des von ihm beschriebenen Geschehens nicht ein einziges Mal nach vorne in
Fahrtrichtung geblickt hat. Sofern der Betroffene – entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung – während des von ihm beschriebenen Geschehens nicht ein einziges Mal nach vorne in Fahrtrichtung geblickt hat, beruht die Fehlleistung der übersehenen Geschwindigkeitsbegrenzung sogar auf grober Nachlässigkeit, denn von einem durchschnittlich sorgfältigem Kraftfahrzeugführer kann und muss verlangt werden, dass er während des von dem Betroffenen beschriebenen Geschehens bisweilen auch nach vorne in Fahrtrichtung blickt, um sich das Geschehen vor seinem Fahrzeug bewusst zu machen; ein Augenblicksversagen scheidet demnach auch aus, sofern der Betroffene während des von ihm beschriebenen Geschehens tatsächlich nicht ein einziges Mal nach vorne in Fahrtrichtung geblickt hat.

Gegen den Betroffenen war ausgehend von der Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) auf eine Geldbuße in Höhe von 80,00 € und ein Fahrverbot von einem Monat zu erkennen.Die Geldbuße entspricht dem vorgesehenen Regelsatz. Es sind keine Gründe erkennbar geworden, die ein Abweichen hiervon rechtfertigen würden.

Dem Betroffenen war unter Beachtung von § 25 Abs. 1 StVG für die Dauer von einem Monat zu verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen, da gegen ihn wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 StVG, die er unter beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, eine Geldbuße festgesetzt wurde. Der Vorwurf, beharrlich die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers verletzt zu haben, besteht darin, dass der Kraftfahrzeugführer durch die wiederholte Begehung von Verkehrsverstößen, die nach ihrer Art oder den Umständen ihrer Begehung für sich allein betrachtet zwar nicht bereits zu den objektiv oder subjektiv groben Zuwiderhandlungen zählen, erkennen lässt, dass es ihm an der für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und der notwendigen Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 05.08.1999, Az. 4 Ss OWi 794/99). Dieser Vorwurf ist dem Betroffenen zu machen. Mit Bußgeldbescheid vom 10.06.2015, rechtskräftig seit dem 27.10.2015, wurde gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 44 km/h eine Geldbuße in Höhe von 340,00 € und ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Der Betroffene hat demnach innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft des Bußgeldbescheids vom 10.06.2015 eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begangen, indem er – wie festgestellt – am 27.11.2015 eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 28 km/h begangen hat; allein dies könnte bereits die Anordnung eines Fahrverbotes von einem Monat rechtfertigen, denn nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV kommt ein Fahrverbot in der Regel in Betracht, wenn gegen den Führer eines Kraftfahrzeugs wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht. Der Fahreignungsregisterauskunft sind allerdings – wie festgestellt – noch drei weitere Bußgeldentscheidungen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen zu entnehmen, welche in den 13 Monaten vor der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsüberschreitung rechtskräftig geworden sind, nämlich die Bußgeldentscheidung vom 16.10.2014 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 37 km/h, die Bußgeldentscheidung vom 12.12.2013 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 28 km/h und die Bußgeldentscheidung vom 20.11.2013 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 26 km/h. Die vier Vorahndungen und deren zeitliche Abfolge sprechen vor dem Hintergrund, dass – auch ¬ die vorliegende Geschwindigkeitsüberschreitung die nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV geforderten 26 km/h erreicht hat, für die Erteilung eines über eine bloße Erhöhung des Bußgeldes hinaus erforderlichen Denkzettels und gegen den Wegfall des angezeigten Fahrverbotes. Nach Überzeugung des Gerichtes ist schon alleine nach dem Inhalt des Fahreignungsregisters mit einer weiteren Erhöhung der Geldbuße nicht zu erreichen, dass der Betroffene zukünftig die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften einhält, sodass vorliegend die Verhängung eines Fahrverbotes unabdingbar war.

Amtsgericht Helmstedt, Aug. 2016

Schreibe einen Kommentar