Über die Klage konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entschieden werden. Der Kläger ist hierauf in der Ladung hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neuerteilung der begehrten Fahrerlaubnis. Die Versagung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
Nach § 20 Abs. 1 FeV gelten im Verfahren auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung die Vorschriften über die Ersterteilung. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis enthält § 2 Abs. 2 StVG. Hiernach ist es u. a. erforderlich, dass der Bewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 StVG). Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist gemäß § 2 Abs. 4 StVG, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.
Da der Kläger das rechtmäßig geforderte MPU-Gutachten nicht vorgelegt hat, und somit an der Aufklärung der Frage eines Alkoholmissbrauchs nicht mitgewirkt hat, durfte der Beklagte auf der Grundlage von § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr schließen.
28 Von dem Fehlen dieser Anspruchsvoraussetzung kann allerdings nur dann gemäß § 11 Abs. 8 FeV ausgegangen werden, wenn die Anordnung zur Gutachtenbeibringung
rechtmäßig war, wenn also die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung erfüllt sind und die Anordnung auch den formellen Anforderungen entspricht. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die Anordnung vom 18.03.2016 ist anlassbezogen, verständlich und enthält eine sachgerechte Fragestellung; sie entspricht damit in formeller Hinsicht den Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV.
Sie ist auch nicht aus dem Grund rechtswidrig, weil der Beklagte die Anordnung auf § 13 Satz 1 Nr. 2 d und 2 e FeV gestützt hat. Zwar sind an die formellen Voraussetzungen dieser Anordnung strenge Anforderungen zu stellen. Denn die Gutachtensaufforderung ist mangels Verwaltungsaktsqualität für den Betroffenen nicht direkt anfechtbar. Er trägt das Risiko, dass gegebenenfalls die Fahrerlaubnis bei einer Weigerung aus diesem Grund entzogen wird. Darüber hinaus ist der Gutachter einer Gutachtensaufforderung an die dort formulierte Fragestellung sowie die dort genannten Rechts- und Beurteilungsgrundlagen gebunden. Es ist gemäß § 11 Abs. 6 FeV Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde und nicht Aufgabe des Gutachters oder des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers, die Beurteilungsgrundlage und den Beurteilungsrahmen selbst klar und fehlerfrei festzulegen. Deswegen muss nach Rechtsprechung der Kammer (VG Schleswig, Gerichtsbescheid vom 14.10.2014 – 3 A 254/13) auch die Nennung der Rechtsgrundlage, sofern diese erfolgt, grundsätzlich zutreffend sein. In Fällen, in denen die Behörde dem Betroffenen eine unzutreffende Rechtsgrundlage in der Form nennt, so dass dieser nicht abschließend beurteilen kann, ob er die Beibringung Gutachtens verweigern kann, ohne befürchten zu müssen, dass ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis unter Berufung auf § 11 Abs. 8 FeV rechtmäßig wegen Nichteignung entzieht, ist die Anordnung bereits formell rechtswidrig und kann auch nicht im weiteren Verfahren geheilt werden. Es kommt hier also entscheidend nur auf das
Anordnungsschreiben vom 18.03.2016 an. Dies betrifft aber nicht die Fälle, in denen – wie hier – die richtige Rechtsgrundlage, nämlich § 13 Satz 1 Nr. 2 d FeV, genannt wird. Denn durch die Nennung dieser Rechtsgrundlage in Verbindung mit der Darlegung des maßgeblichen Sachverhalts und zudem der konkreten Fragestellung werden dem Betroffenen die Gründe für die Eignungszweifel unmissverständlich mitgeteilt. Die weitere Nennung von Buchstabe e ist insbesondere deswegen unschädlich, weil dessen Tatbestandsvoraussetzungen grundsätzlich vorliegen und diese Rechtsgrundlage nur deswegen nicht einschlägig ist, weil es sich um einen Auffangtatbestand handelt, der hier hinter dem spezielleren Buchstaben d zurücktritt.
Aufgrund der Mitteilung des § 13 Satz 1 Nr. 2 d FeV als Rechtsgrundlage war es für den Kläger erkennbar, dass das behördliche Verlangen mit der Rechtsordnung in Einklang stand und er nicht berechtigt war die Gutachtenvorlage zu verweigern. Selbst wenn der Kläger nach rechtlicher Prüfung der Anordnung davon ausgehen durfte, dass diese nicht auf den Buchstaben e gestützt werden konnte, durfte er wegen der Angabe des Buchstaben d nicht davon ausgehen, dass die Anordnung rechtswidrig war. Somit werden auch die Gründe für den strengen Maßstab an die formellen Voraussetzungen der Anordnung nicht unterlaufen.
Die Gutachtenanordnung des Beklagten vom 18.03.2016 ist auf der Grundlage von § 13 Abs. 1 Nr. 2 d FeV auch materiell rechtmäßig.
Danach ist die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung zwingend geboten, wenn – wie hier – die Fahrerlaubnis aus einem der unter Buchstabe a – c genannten Gründe entzogen war. § 13 Abs. 1 Nr. 2 d FeV erfasst sowohl die Entziehung der Fahrerlaubnis durch ein Strafgericht, als auch eine behördliche Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.06.2013 – 3 B 71/12). So genügt bei Anknüpfung an Buchstabe a die Feststellung, dass die frühere Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Alkoholmissbrauchs erfolgt ist. Dieser Fall liegt hier vor, da dem Kläger mit Strafbefehl vom 07.10.2015 wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis lag zugrunde, dass der Kläger am 30.05.2015 mit einem Kraftfahrzeug fuhr, obwohl er infolge des vorangegangen Alkoholgenusses fahruntüchtig war (1,58 %o Blutalkohol). Diese Tat belegt einen Alkoholmissbrauch, da der Kläger erwiesenermaßen nicht zwischen einem die Fahreignung ausschließenden Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges getrennt hat (vgl. die Legaldefinition des Alkoholmissbrauch in Nr. 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung: „Das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum kann nicht hinreichend sicher getrennt werden.“). Der Sache nach hat die strafrichterliche Entziehung der Fahrerlaubnis mit der gegebenen Begründung, dass der Kläger sich durch die Tat – das Fahren im Zustand
alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit – als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat, zugleich die Bedeutung einer Feststellung, dass im Sinne der von § 13 S. 1 Nr. 2 a Alt. 2 FeV erfassten Fallgruppe Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Die strafgerichtliche Erkenntnis ersetzt bzw. erübrigt insoweit eine bei isolierter Anwendung der Vorschrift erforderliche originäre Prüfung (so auch VGH Mannheim, Beschluss vom 15.01.2014 – 10 S 1748/13 -, Rdnr. 9; VGH Mannheim, Urteil vom 07. Juli 2015 – 10 S 116/15; ebenso OVG Schleswig, Beschluss vom 25.02.2015 – 3 MB 9/15). Dies führt dazu, dass die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss für ein Wiedererteilungsverfahren ohne weiteres die Notwendigkeit der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung auslöst. Ansonsten würde auch der gesetzgeberischen Wertung in § 69 StGB nicht genügend Rechnung getragen werden. Die Annahme, dass nach einer strafrichterlichen Fahrerlaubnisentziehung und dem Ablauf der zusätzlich verhängten Sperrfrist automatisch ein Anspruch auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis entstehen würde, eine weitere Eignungsprüfung also entfallen würde, widerspräche dem Sinn und Zweck der Regelung als Maßregel der Besserung und Sicherung im Gegensatz zum Fahrverbot gemäß § 44 StGB als Nebenstrafe. Ginge man von einer automatischen Wiedererlangung der Eignung aus, so wäre das Wiedererteilungsverfahren insgesamt entbehrlich und verfahrenstechnisch unökonomisch, da ein bloßes Fahrverbot unter dieser Annahme sachgerechter wäre. Da die Entziehung aber nur aufgrund der fehlenden Eignung erfolgte, ist eine Prüfung der Wiedererlangung erforderlich und entspricht dem Zweck des § 69 StGB. Insofern kam es hier weder auf die Feststellung eines weiteren Verkehrsverstoßes noch auf die Überschreitung des 1,6 %o-Wertes an.
Entgegen der Auffassung des Klägers enthält auch der in § 13 Satz 1 Nr. 2 c FeV normierte 1,6 %o-Wert keinen eine Sperrwirkung entfaltenden Grenzwert hinsichtlich Trunkenheitsfahrten unterhalb dieses Werts. Weder die Binnensystematik noch der Sinn und Zweck von § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV lassen den Schluss zu, dass auch nach vorausgegangener strafgerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung im Wiedererteilungsverfahren lediglich unter den in Buchstaben b und c geregelten Voraussetzungen in Betracht käme. Vielmehr ist § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV so zu verstehen, dass er in seinen Buchstaben a bis e voneinander unabhängige Fälle normiert, in denen wegen ähnlich gewichtiger Hinweise auf eine alkoholbedingte Straßenverkehrsgefährdung die Beibringung eines medizinisch- psychologischen Gutachtens erforderlich ist (vgl. hierzu auch Bay.VGH, Beschluss vom 09.02.2009 – 11 CE 08.3028). Der Verordnungsgeber hat mit der Regelung in § 13 Satz 1 Nr. 2 d FeV zum Ausdruck gebracht, dass er der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis eine eigenständige, und Anlass zu Eignungszweifeln gebietende, Bedeutung zumisst. Die Vorschrift knüpft explizit gerade nicht an eine Kumulation der Gründe a bis c für die frühere Entziehung der Fahrerlaubnis an, sondern alternativ an das frühere Vorliegen eines dieser Gründe. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass bei dem hier vertretenen Verständnis von § 13 Satz 1 Nr. 2 d FeV die Regelungen in Buchstabe b und c dieser Vorschrift leer liefen und keinen praktischen Anwendungsbereich mehr hätten. Zum einen kommt diesen Tatbeständen bei direkter Anwendung von § 13 Satz 1 FeV im Entziehungsverfahren Bedeutung zu. Zum anderen sind diese Tatbestände auch im Wiedererteilungsverfahren relevant, etwa wenn das Strafgericht aufgrund atypischer Umstände im Einzelfall von einer Fahrerlaubnisentziehung abgesehen hat oder eine solche aus sonstigen Gründen (wie beispielsweise bei der strafbewehrten Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Fahrrad unter Alkoholeinfluss) nicht in Betracht gekommen ist (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 07. Juli 2015 – 10 S 116/15).
VG Schleswig-Holstein, Februar 2017